Unser Eindruck vom Springer Pflege Kongress 2018
Diese Frage bestimmte die Themenvielfalt auf dem Springer Pflege Kongress 2018. Unter dem Eindruck der noch nicht abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen und nach einem Grußwort von Gesundheitsminister Gröhe (s.u.) diskutierten unter der Moderation von Prof. Heinz Lohmann (Lohmann Konzept GmbH Hamburg) folgende Teilnehmer: Jana Luntz, Dresden (Pflegedirektorin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus, Dresden), Prof. Dr. Frank Weidner, Köln (Direktor des Instituts für angewandte Pflegeforschung) und Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Berlin (Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin).
Hier die Vortragspräsentationen des Kongresses als PDF.
Das waren die Diskussionsbeiträge der Podiumsteilnehmer:
Pflegedirektionen sollten mit im Vorstandsboard sitzen um wirklich etwas bewegen zu können
Jana Luntz beklagt, dass es mitunter 8-10 Wochen dauere, bis eine Stelle in der Pflege besetzt werden könne, manchmal sei eine Bettenschließung unvermeidbar. Die personelle Belastung führe dazu, dass Dinge am Patienten auch einmal „unterlassen“ werden müssten. Dies gehe zutiefst gegen das Verständnis der Berufsausübung der Pflegenden und sei entsprechend schwer zu kommunizieren. Da es aber noch „keinen Baum gebe, an dem man Pflegekräfte pflücken könne“, sei es extrem wichtig, als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Insgesamt herrsche eine enorme Arbeitsverdichtung in der Pflege. Auf die Frage, was ein Krankenhaus als Arbeitgeber „magnetisch“ mache antwortet sie: wenn man das in der Pflege tun kann, was man sich vorgestellt hat. Auch sollten ihrer Meinung nach Pflegedirektoren/innen im Vorstandsboard sein, um mitwirken zu können. allerdings sollten sie mit echten Befugnissen ausgestattet sein, um in der Landschaft etwas bewegen zu können. Zur Arbeitsweise ausländischer Pflegekräfte gibt sie zu bedenken, dass diese oft ein ganz anderes Pflegeverständnis hätten und manchmal gar nicht verstehen könnten, dass sie einen Patienten auch waschen sollten. Dass es in der Pflege oft auf ein Improvisionstheater hinauslaufe (Anm.: im Sinne des Umgangs mit schwierigen Situationen)sei ihr bewusst, sie halte aber die Verortung des Improtheaters in der Pflege für wichtig, denn improvisieren zu können sei eine der ganz großen Stärken der Pflege. Bei der Gestaltung nicht pflegenahe Tätigkeiten solle man stets vom Patienten aus denken und dann überlegen: wer macht was wann und wo – meist würde das dann auch nicht in Diskussionen in Frage gestellt.
Personaluntergrenze muss auch in der Praxis umsetzbar bleiben
Ihr ist bewusst, dass im Bereich Digitalisierung noch nicht alles erfasst ist, es gebe hier und da vielleicht noch Bleistift und Papier aber trotzdem würden etliche Prozesse schon digital abgebildet werden. Hier stelle sich aber die Frage wie man intelligente Systeme integrieren könne, z.B. Betten, die bestimmte Patientendaten aufzeichnen. In diesem Bereich habe sie eine neue Stelle geschaffen, die speziell solche innovativen digitalen Projekte verantwortet. Zur Untergrenze gibt sie zu bedenken, dass man ein Gesetz auch in der Praxis umsetzen können muss. Man könne das auch nicht losgelöst von anderen Themen im der Pflege betrachten und solle schon davon ausgehen dürfen, dass Politiker das im Blick haben. Die Frage sei, ob und wie die Nichteinhaltung letztendlich sanktioniert werden würde. Im Bereich Neoantaoligie habe es ja bereits einen Beschluss gegeben aber gerade in großen Unternehmen könne das Gesetz auch bedeuten, dass man extra noch jemanden einstellen muss, der die Einhaltung der Vorgaben im Blick habe.
Wenn Stationen geschlossen werden, können Wachstumsziele nicht mehr erreicht werden
Weidner hält die Untergrenzendebatte für eine Hauruckmethode und vergleicht sie mit der Bewertung von Altenpflegeheimen, die er äußerst kritisch sieht. Als kluge Herangehensweise könne er sich vorstellen, wenn DRG und Personalbemessung mit der Qualität der Versorgung verknüpft würden. In der Pflege gibt es aus einer Sicht riesige Herausforderungen die man folgendermaßen beschreiben könne: vor etwa 10 Jahren habe es einen massiven Abbau von Pflege in Krankenhäusern gegeben. Innerhalb von 20 Jahren der Krankenhausentwicklung seien 50.000 Stellen abgebaut worden, aber nur etwa 25.000 seien wieder dazugekommen. Im gleichen Zeitraum wurden jedoch 60.000 Stellen für Ärzte aufgebaut. Früher hätten Pflegekräfte 45 Patienten zu versorgen gehabt, heute seien es 60. Auf einen Arzt kämen zwei Pflegekräfte. Es sei zu bedauern, dass man sich an diese Misere langsam gewöhne und es habe fatale Folgen: Wenn Stationen geschlossen würden, könnten Wachstumsziele nicht mehr erreicht werden und der Bumerang gehe dann zurück zu den Ökonomen. Die Pflege könne aber durchaus von den Ärzten lernen: Seit Anstieg des ökonomischen Drucks hätten sie es trotzdem geschafft, sich zu stärken. 2013 sei die Ärzteschaft zum ersten Mal teurer als die Pflege gewesen. Auf die Frage nach Fördergeldern für Digitalisierung der Pflege verweist er auf eine auf eine Studie seines Instituts und der Unternehmensberatung Roland Berger. Es sei schon etwa 10 Jahr in die Digitalisierung der Pflege investiert worden. Meist scheiterten Digitalisierungsvorhaben aber an der mangelnden Interoperabilität der Bereiche und Systeme in einem Krankenhaus. Das Bundesforschungsministerium würde inzwischen hauptsächlich in bereits bestehende Lösungen investieren. Im Gegensatz zum Pflegebereich werde in Pharmazie und Medizintechnik ein Vielfaches in die Digitalisierung investiert. Eine weitere Akademisierung der Pflege und Einrichtungen, die Digitalisierungsprojekte im Rahmen der Organisationsentwicklung vorantreiben, könnten die Entwicklung vorantreiben. Ein ganz großes Problem sei tatsächlich der Fachkräftemangel. Hier berate sein Institut Unternehmen in NRW und RP. Pflegekräfte bemängelten, insofern sehe er das genau so wie Frau Luntz, dass sie das was sie umsetzen wollen nicht mehr machen können. Das Pflegebaromter zeige durch die Bank weg z.B. Probleme beim Thema Mobilisierung und Hygiene. Das Ziel, das Befinden des Patienten zu verbessern, können so nicht erreicht werden. Er plädiert an dieser Stelle für das Konzept der Magnetkrankenhäuser und ein ineinandergreifen der einzelnen Berufsgruppen. Das sei eine Investition in Personal und Organisationsentwicklung, hier gebe es auch schon vielversprechende Ansätze.
Der Anschluss an die digitale Welt ist noch lange nicht vollzogen
Prof. Ekkernkamp verweist auf eine 360o Umfrage, die ergeben habe, dass Ärzte/innen sich durch die Digitalisierung zunehmend gegängelt fühlten und insgesamt eine schlechte Life Balance aufwiesen. Trotz guter Vergütungsstrukturen als auch weiterer Unterstützung der Berufsgruppe Ärzte, sei ihre Bereitschaft, digital zu dokumentieren äußerst gering. Was den Fachkräftemangel in der Pflege anhehe, so sei das Problem bei Stationsschließungen, dass Ärzte einfach auf einen anderen Arbeitgeber ausweichen – und unwiederbringlich verloren sind. Er plädiere bezüglich der Arbeitsbelastung für einen Lösungsansatz, der auf Konsens und nicht Kontroverse ausgerichtet sei. Unternehmen sollten sich fragen man sich, was die Mitarbeiter in der Pflege zufriedenstelle, ob z.B. mehr Servicekräfte Pflege fremde Dienste übernehmen könnten. Auch in einer digitalen Welt müsse man sich nicht mit den derzeitigen Zuständen abfinden. Im Dialog mit dem Moderator wird noch einmal der Wunsch deutlich, dass nicht ärztliche Berufe einen höheren Akademisierungsgrad haben sollten. Auch Schulgeld für Berufe zu verlangen, in denen ein Mangel herrscht ist für viele, z.B. Physiotherapeuten, kaum nachvollziehbar. Hier kann man nur auf die Politik hoffen. Immerhin habe zu Beginn der Legislaturperiode Partei übergreifend die Einsicht bestanden, dass ein großer Fachkräftemangel herrscht. Wie der Anschluss an die digitale Welt allerdings vollzogen werden soll, wenn manche Krankenhäuser noch nicht einmal WLAN hätten sei fraglich. Am Geld könne es nicht scheitern – es wäre genug da und müsse… Geld wäre genug da! Der Begriff Arbeitnehmer werde langsam umgewandelt in Auftragnehmer, was sich durchaus als Problem für Verdi herausstellen könne, denn die Pflege ist mit 2,5 Mio. Berufsangehörigen eine der größten Wählergruppen und deutlich stärker als beispielsweise Ärzte und Apotheker.
Das Podium folgt abschließend der Einschätzung von Prof. Ekkernkamp, der als bestimmende Themen der Zukunft Fachkräftemangel und Digitalisierung ganz oben auf der Agenda sieht.