Annalena Baerbock und Hubertus Heil werben um Fachkräfte
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Bundesregierung holt Pflegepersonal nach Deutschland - was können die Krankenhäuser und Kliniken jetzt tun?
Bundesregierung rührt die Werbetrommel bei ausländischen Pflegekräften
Der Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Brasilien Anfang Juni 2023 war ein weiterer Versuch, dem Fachkräftemangel auf der politischen Ebene zu begegnen. Bereits im Jahr 2019 war der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn nach Mexiko gereist, um Pflegekräfte anzuwerben. Knapp 650 von ihnen arbeiten heute laut Bundesagentur für Arbeit in deutschen Kliniken und Pflegeheimen.
Krankenhäuser und Kliniken müssen reagieren: Onboarding verbessern und langfristige Perspektiven bieten
Auch wenn aktives Anwerben und die Beseitigung bürokratischer Hürden den Zuzug brasilianischer Pflegekräfte erhöhen werden, müssen dem ersten Schritt weitere folgen: ein entschlossenes Onboarding und das Angebot von langfristigen Perspektiven.
Die Menschen kommen hochmotiviert und bestens qualifiziert nach Deutschland. Viele von ihnen haben einen akademischen Abschluss. Wenn es nicht gelingt, sie dauerhaft zu halten, war aller Aufwand vergeblich. Nicht wenige der angeworbenen Fachkräfte verlassen Deutschland bald wieder wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen und mangelnder Willkommenskultur.
An positiven Beispielen wie dem Vorgehen der Charité (siehe Link unten „Bleiben oder gehen?“) und dem des UKE Hamburg (siehe Link unten „Ankommen im Kiez“), die Pflegekräften aus Südamerika eine echte Perspektive und umfassende Onboardingprogramme bieten, ist zu sehen, wie die Integration ausländischer Pflegekräfte funktionieren kann.
Wie kann der Prozess der Rekrutierung von Pflegepersonal aus Brasilien vereinfacht oder beschleunigt werden?
Immerhin hält die Bundesagentur für Arbeit Hubertus Heil zufolge die Anwerbung von bis zu 700 Pflegekräften pro Jahr für möglich. Derzeit arbeiten etwa 200 brasilianische Pflegefachkräfte in Deutschland. Nach Angaben der Stiftung Patientenschutz sind im vergangenen Jahr 34 professionelle Pflegekräfte aus Brasilien nach Deutschland gekommen.
Für Personaler*innen in Klinken und Krankenhäusern stellt sich nun die Frage „Wer vermittelt das Pflegepersonal aus Brasilien?“ Einige Unternehmen für Personalvermittlung sind darauf spezialisiert, Klinikpersonal aus dem Ausland nach Deutschland zu vermitteln. Die Personalvermittlung von MOG Ärztevermittlung hat ihre Fühler schon seit einiger Zeit nach Brasilien ausgestreckt und dort Verbindungen geknüpft um medizinisches Personal anzuwerben.
Sollten Sie interessiert an qualifiziertem medizinischen Personal aus Brasilien sein, dann kontaktieren Sie uns gern unter +49 721 8314750 oder schreiben Sie eine E-Mail mit Ihrer Anfrage an kliniken@medical-onboarding.de
Bürokratische Hürden senken
Leider gibt es immer wieder Berichte, die von Ausbeutung und Abwertung der ausländischen Pflegerinnen und Pfleger in deutschen Krankenhäusern sprechen. In einem solchen Fall wird es für die Betroffenen schwierig, den Arbeitgeber zu wechseln, weil die Aufenthaltserlaubnis an die Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber gebunden ist. Die Aufhebung dieser Bindung würde es eingewanderten Pflegekräften ermöglichen, bei schlechten Bedingungen die Stelle zu wechseln und so dem deutschen Arbeitsmarkt erhalten zu bleiben.
Gute Bedingungen für faire Einwanderung schaffen
Bei den ersten Begegnungen zwischen dem deutschem und dem brasilianischen Arbeitsminister, Luiz Marinho, ging es dann auch nicht nur um Fachkräftegewinnung, sondern um gute Arbeit in globalen Wertschöpfungsketten. Gemeinsam unterzeichnete man eine Absichtserklärung für 'faire Einwanderung', um den Fachkräfteaustausch zu fördern und sicherzustellen, dass wirklich alle davon profitieren. Derzeit würden in Brasilien vermehrt Möglichkeiten geschaffen, zukünftige Pflegende insbesondere für den deutschen Arbeitsmarkt auszubilden. Nun sollen die zuständigen Behörden ihre Zusammenarbeit intensivieren. Die Absprache zur Vermittlung von Pflegefachkräften, die die Bundesagentur für Arbeit mit der brasilianischen Pflegekammer Cofen unterzeichnet hat, umfasst Regelungen
- zur Bewerberauswahl
- zum Vermittlungsprozess
- zum Spracherwerb und
- zur Anerkennung beruflicher Qualifikationen
In Brasilien gibt es nach Angaben des Berufsverbands Cofen 2,5 Millionen Krankenpfleger. Die Arbeitslosenquote in dem Sektor lag 2021 bei mehr als zehn Prozent. Dieser vermeintliche „Überschuss“ an Fachkräften lässt vermuten, dass man damit die Lücken bei uns füllen kann. Aber so einfach ist das nicht. Wer sich tatsächlich entschließt, auszuwandern und dafür Familie und Freunde zurücklässt, braucht nicht nur langfristig bessere berufliche Perspektiven, sondern auch ein Umfeld, das ihm den Einstieg in ein fremdes Land mit einer ganz anderen Sprache erleichtert. Viele deutsche Unternehmen haben dafür keine Kapazitäten. Und überall dort, wo Arbeitsbedingungen oder Vergütungsmodelle schlecht sind, verlassen auch gut ausgebildete Fachkräfte aus dem Ausland die Unternehmen.
Hintergrund: Bedarf in Deutschland an Pflegekräften steigt weiter an
Angesichts eines Bedarfs an Pflegekräften, der in den nächsten 20 Jahren in die Hunderttausende geht, ist die Anzahl der jetzt in Brasilien angeworbenen Fachkräfte nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Laut Institut der deutschen Wirtschaft in Köln könnten in Deutschland in der stationären Versorgung bis zum Jahr 2035 rund 307.000 Pflegekräfte fehlen. Die Zahl der Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, steigt laut Statistischem Bundesamt weiter an: von 2,02 Millionen Pflegebedürftigen im Dezember 1999 auf 4,96 Millionen im Dezember 2021. Bis 2055 rechnen Experten mit einem Anstieg auf 6,8 Millionen. Der Mangel an Pflegekräften wird sich in den kommenden Jahren noch einmal erhöhen, wenn die Babyboomer unter ihnen in Rente gehen.
Brain Drain - auch ein Thema in Brasilien
Nach wie vor besteht in vielen Ländern, auch in Brasilien, die Befürchtung, dass mit dem Abwerben von Fachkräften ein Brain-Drain ausgelöst wird. Um sicherzustellen, dass Gesundheitspersonal aus bestimmten Ländern nicht unangemessen abgeworben wird, setzt sich das Netzwerk für die globale Gesundheitspersonal-Workforce der WHO (Global Health Workforce Network) seit vielen Jahren für eine ethische und ausgewogene Rekrutierung von Gesundheitspersonal ein. Innerhalb des Netzwerks gibt es einen speziellen Mechanismus, der als Globaler Verhaltenskodex für die internationale Rekrutierung von Gesundheitspersonal (Global Code of Practice on the International Recruitment of Health Personnel) bekannt ist. Dieser Kodex legt Leitlinien fest, die von den WHO-Mitgliedstaaten angenommen wurden, um sicherzustellen, dass die Abwerbung von Gesundheitspersonal aus Ländern, in denen es selbst dringend benötigt wird, ethisch und fair erfolgt.
So wurde im Jahr 2006 in 57 Staaten ein kritischer Mangel an Gesundheitspersonal festgestellt und empfohlen, aus diesen Ländern nicht aktiv zu rekrutieren oder zu vermitteln. Diese Liste wurde im Juni 2021 angepasst und umfasst nunmehr nur noch 47 Länder, in denen private Vermittler nicht tätig werden dürfen. Das Vermittlungsmonopol liegt hier bei der Bundesagentur für Arbeit. Brasilien gehört nicht zu diesen Ländern.
Fazit: Deutschland muss im Wettbewerb mit attraktiven Staaten konkurrieren
Deutschland steht im Werben um Fachkräfte aus dem Ausland in der Konkurrenz mit anderen Staaten, die teilweise umfassendere Konzepte im Bereich Arbeitsmigration anbieten, wie z.B. Kanada.
Es gibt einige gelungene Besipiele für die Integration von Fachkräften, die zeigen, dass alle Beteiligten davon profitieren können. In der Fläche besteht noch Verbesserungsbedarf. In welchem Umfang das Anwerben von Pflegefachkräften dauerhaft möglich ist und dies den Arbeitsmarkt für Pflegende in Deutschland entspannen kann, bleibt offen.
Patientenschützer zweifeln daran, dass sich die Fachkräftelücke allein durch den Zuzug aus dem Ausland lösen lässt. Die Anwerbezahlen nichteuropäischer Arbeitskräfte seien seit über zehn Jahren sehr ernüchternd, sagte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der Deutschen Presse-Agentur. Er sieht vor allem bessere Arbeitsbedingungen als Schlüssel. Dann könnten sich die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten und sogar 60 Prozent der Ausgestiegenen eine Rückkehr in den Beruf beziehungsweise ein Aufstocken der Stunden vorstellen.
Eine Maßnahme auf politischer Ebene wäre, wie oben geschildert, die Aufhebung der Bindung der Arbeitserlaubnis an einen einzigen Arbeitgeber.
Bildnachweis: Jacob Wackerhausen PeopleImages
Weiterführende Links (abgerufen am 16.06.2023)
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023): Brasilien und Deutschland stärken Partnerschaft zur Fachkräftegewinnung
https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Pressemitteilungen/2023/brasilien-und-deutschland-staerken-partnerschaft-fachkraeftegewinnung.html
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2023): Heil wirbt in Brasilien um Fachkräfte
https://www.bmas.de/DE/Service/Presse/Meldungen/2023/werben-um-fachkfraefte-in-brasilien.html
Deutschlandfunk Kultur: Bleiben oder gehen?
https://www.deutschlandfunkkultur.de/als-pflegekraft-in-deutschland-bleiben-oder-gehen-dlf-kultur-1521fe79-100.html
'Ankommen. Im Kiez, im Job, im Leben.“ – Karriere im UKE
https://www.youtube.com/watch?v=xvyvyxqJ_UM
Neue WHO-Länderliste für Gesundheitsfachkräfte in Deutschland
https://www.imove-germany.de/de/alle_news/Neue-WHO-Laenderliste-fuer-Gesundheitsfachkraefte-in-Deutschland-gueltig.htm
Deutsche Stiftung Patientenschutz: Heil und Baerbock verkennen die Realität bei der Anwerbung brasilianischer Pflegekräfte
https://www.stiftung-patientenschutz.de/2023/06/Heil-und-Baerbock-verkennen-die-Realit%C3%A4t-bei-der-Anwerbung-brasilianischer-Pflegekr%C3%A4fte
Ärztezeitung (2023): Fachkräftemangel. Heil und Baerbock wollen Pflegekräfte in Brasilien anwerben
https://www.aerztezeitung.de/Politik/Heil-und-Baerbock-wollen-Pflegekraefte-in-Brasilien-anwerben-439520.html
Blank, Jörg/Düttmann, Denis (2023): Baerbock und Heil auf Werbetour um Pflegekräfte in Brasilien
https://www.morgenpost.de/politik/ausland/article238595317/Baerbock-und-Heil-in-Brasilien-auf-Werbetour-um-Pflegekraefte.html
Wirtschaftswoche (2023): Baerbock und Heil auf der Suche nach Pflegekräften
https://www.wiwo.de/politik/deutschland/brasilien-baerbock-und-heil-auf-der-suche-nach-pflegekraeften/29187074.html