Ein Beitrag von Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Sabine Bätzing-Lichtenthäler: Die Sicherstellung einer wohnortnahen, flächendeckenden medizinischen und pflegerischen Versorgung ist eines der drängendsten Themen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, insbesondere in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz. Nicht allein mit finanziellen und strukturellen Maßnahmen kann man dieser Herausforderung begegnen. Der wichtigste Baustein einer funktionierenden Versorgungslandschaft bleiben qualifizierte und motivierte Fachkräfte – im medizinischen wie pflegerischen Bereich. Die Erwartungen der Nachwuchskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle und sind bei der Gestaltung attraktiver Beschäftigungsbedingungen unbedingt zu berücksichtigen. Entsprechend hat Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren mit unterschiedlichen Kooperationen und Projekten, die Weichen für eine zukunftsfähige medizinische und pflegerische Versorgung im Land gestellt.
Zur Situation im Bereich der pflegerischen Versorgung
Die Fachkräftesicherung in der Pflege ist seit über zehn Jahren ein Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Landesregierung. Im Jahr 2002 wurde die Arbeitsmarktanalyse „Branchenmonitoring“ auf den Weg gebracht. Auf deren Grundlage wissen wir genau welcher Fachkräftebedarf in allen Gesundheitsfachberufen in welchen Regionen vorherrscht. Derzeit existiert ein Fachkräftebedarf in der Pflege in einigen Regionen in Rheinland-Pfalz. Insbesondere ist die Fachkräftesituation in Trier, Bernkastel-Wittlich, Ludwigshafen und Mainz angespannt. Dieser wird sich zukünftig vergrößern, wenn wir nicht gegensteuern. Daher haben wir im Jahr 2012 die „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Gesundheitsfachberufe 2012-2015“ eingeleitet. Beteiligt sind alle relevanten Akteure des rheinland-pfälzischen Gesundheitswesens und der Pflege. Die Handlungsfelder der Fachkräfteinitiative bilden die Ausbildung, die Nachqualifizierung, attraktive Beschäftigungsbedingungen und der Bereich Zuwanderung.
Mit dem Ausbildungsstättenplan, den wir im Jahr 2013 in Zusammenarbeit mit den rheinland-pfälzischen Krankenhäusern erstellt haben, konnten wir die Zahl der Auszubildenden in der Pflege wieder erhöhen. Auch die Zahl der an- und ungelernten Umschüler/innen, die eine Nachqualifizierung zur Pflegefachkraft durchlaufen haben, konnten wir im Jahr 2014 gegenüber dem Jahr 2012 mehr als verdoppeln. Es reicht jedoch nicht, nur über Ausbildung die Fachkräfte in der Pflege zu sichern. Parallel sind Arbeits- bzw. Beschäftigungsbedingungen zu schaffen, damit die bereits in der Pflege Tätigen lange, gesund und motiviert im Beruf verweilen. Derzeit zeigt das Gesundheitswesen das höchste Krankenstandsniveau in Deutschland. Aus diesem Grund wurden bereits 2013 Landesprojekte zur Schaffung von attraktiven Beschäftigungsbedingungen in der Altenpflege initiiert. Schwerpunkte waren dabei Führung, Gesundheitsförderung, demografiefeste Personal- und Unternehmenspolitik. Die Ergebnisse werden jetzt auf den Krankenhausbereich übertragen. Dafür startet im September dieses Jahres das Landesprojekt „Führung im Krankenhaus in Rheinland-Pfalz“. Dabei werden in sechs Modellkrankenhäusern die Führungskräfte des mittleren und unteren Managements geschult und gecoacht, um einen Führungsstil zu entwickeln, der langfristig Fachkräfte sichert. Als Partner konnten wir dafür den Deutschen Krankenhausinstitut e.V. gewinnen.
Zur Situation im Bereich der ärztlichen Versorgung
Statistiken der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz zeigen, dass die ambulante vertragsärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz aktuell auf hohem Niveau gesichert ist. Gleichwohl zeigt die Altersstruktur insbesondere der Hausärzte – etwa ein Drittel ist 60 Jahre oder älter – Handlungsbedarf auf. Das gilt nicht nur für Rheinland-Pfalz, sondern grundsätzlich für alle Flächenländer. Vor allem im ländlichen Raum drohen Versorgungslücken. In den Krankenhäusern waren zwar noch nie so viele Medizinerinnen und Mediziner beschäftigt wie heute, doch haben Krankenhäuser im ländlichen Raum dennoch immer wieder Probleme, Arztstellen zeitnah zu besetzen.
Die Berufserwartungen des inzwischen mehrheitlich weiblichen Medizinernachwuchses haben sich in der letzten Zeit deutlich gewandelt. Eine gute Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf steht dabei für junge Ärztinnen und Ärzte an erster Stelle. Eine Arbeit im Team und in Form einer Anstellung hat an Attraktivität gewonnen. Das traditionelle Bild des Landarztes vor Ort entspricht dagegen nicht mehr den Erwartungen der meisten Nachwuchsärztinnen und -ärzte. Und auch zu einem quasi „Rund-um-die-Uhr-Einsatz“ im Krankenhaus sind immer weniger Ärzte bereit.
Der Großteil der Rahmenbedingungen für die Gesundheitsversorgung und die Gesundheitsberufe wird auf Bundesebene gesetzt. Die Reformen der letzten Jahre – zuletzt das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – zeigen, dass die Politik auf den drohenden Ärztemangel reagiert und dabei entsprechend der sich wandelnden Berufserwartungen junger Ärztinnen und Ärzte auch deutlich mehr Flexibilität in der Berufsausübung vor allem im ambulanten Bereich ermöglicht hat. Stichworte sind der Wegfall der sog. Residenzpflicht, die erleichterten Anstellungsmöglichkeiten in Arztpraxen, die Option einer Teilzulassung oder die Regelungen rund um die Medizinischen Versorgungszentren, die zuletzt noch einmal weiter entwickelt wurden. Die Statistiken zur Berufsausübung von Ärztinnen und Ärzten zeigen denn auch, dass sowohl die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren als auch die Bedeutung von Anstellungen in den letzten Jahren stetig gestiegen sind.
Im Krankenhausbereich liegt die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für die Beschäftigten stärker in der Hand der Krankenhausträger. In Zeiten des Fachkräftemangels ist vor allem das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle elementar. Wichtig erscheint auch die Etablierung einer guten und wertschätzenden Führungskultur.
Natürlich gibt es auch auf Landesebene Handlungsmöglichkeiten. Rheinland-Pfalz hat als erstes westdeutsches Bundesland ein Maßnahmenpaket gegen den drohenden Hausärztemangel geschnürt und die Vorstellungen der jungen Ärzte bewusst einbezogen. Im Jahr 2007 wurde gemeinsam mit den wichtigsten Partnern der „Masterplan zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung“ auf den Weg gebracht, der im Jahr 2011 noch einmal weiterentwickelt wurde.
Zentraler Baustein des Masterplans ist das Förderprogramm vertragsärztliche Versorgung. Die Förderung in Höhe von bis zu 15. 000 Euro ist besonders für Ärztinnen und Ärzte gedacht, die helfen, die hausärztliche Versorgung in ländlichen Regionen zu verbessern, in denen es zunehmend schwieriger wird, freiwerdende Arztsitze wieder zu besetzen. In einigen Regionen können seit Anfang 2014 auch Fachärzte der Grundversorgung eine Förderung erhalten. Gefördert werden neben der Neuerrichtung oder Übernahme einer Praxis auch die Einrichtung von Zweigpraxen und die Anstellung einer Ärztin oder eines Arztes.
In der Phase des Studiums soll die Allgemeinmedizin weiter gestärkt werden, um später mehr Studierende für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin zu gewinnen. Studierende, die sich im Praktischen Jahr für das Wahltertial Allgemeinmedizin entscheiden, können für diese vier Monate eine Förderung in Höhe von monatlich 600 Euro (insgesamt also 2.400 Euro) erhalten.
Maßnahmen sind beispielsweise ein neues Auswahlverfahren für die Zulassung zum Medizinstudium an der Universitätsmedizin Mainz, das nicht mehr nur auf die Abiturnote abstellt, die vorgesehene Einrichtung eines Lehrstuhls für Allgemeinmedizin, die Einrichtung von Famulatur- und Praxisbörsen, das Förderprogramm Famulatur der Kassenärztlichen Vereinigung oder die Erleichterung des Quereinstiegs in die Allgemeinmedizin aus anderen Fachgebieten. Noch recht neu ist die Durchführung lokaler Zukunftswerkstätten in ländlichen Regionen. Da jede Region andere Voraussetzungen hat, sollen gemeinsam mit den lokalen Akteuren Ideen und konkrete Maßnahmen zur Sicherung der ärztlichen Grundversorgung entwickelt werden.Wer sich für eine hausärztliche Tätigkeit in Rheinland-Pfalz interessiert, kann sich unter www.hausarzt.rlp.de über Ansprechpartner und Fördermöglichkeiten informieren.
Auf Bundesebene entwickeln Bund und Länder derzeit gemeinsam einen „Masterplan Medizinstudium 2020“. Darin sollen Maßnahmen und Umsetzungsschritte für eine zielgerichtete Auswahl der Studienplatzbewerber, zur Förderung der Praxisnähe und zur Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium gemeinsam festgelegt werden. Denn der Ausbildung kommt bei der Entscheidung über die spätere Berufsausübung eine wichtige Bedeutung zu. Insofern sollten die hier zu beschließenden Maßnahmen auch dazu geeignet sein, Versorgungslücken in Teilbereichen der ärztlichen Versorgung vorzubeugen.