New Work – dieser Begriff hat inzwischen nahezu alle Bereiche des HR erobert. Zudem gewinnt New Work neben Employer Branding zunehmend an Bedeutung für Arbeitgeber bei der Mitarbeitergewinnung und der Mitarbeiterbindung. Doch was versteht man unter New Work? Woher kommt der Begriff? Wo wird New Work bereits umgesetzt? Welche Bedeutung hat New Work und wie lässt sich das Konzept auch auf den Gesundheitssektor übertragen? Denn generell sollte gelten:
„Arbeit um der Arbeit willen ist gegen die menschliche Natur.“ (John Locke)
Mögliche Antworten werden in den folgenden drei Abschnitten gegeben: Erstens, was ist New Work? Zweitens wird New Work im Gesundheitssektor mit dem Schwerpunkt auf ambulante Versorgung (2.1) und den Krankenhausbereich (2.2) dargestellt. Drittens wird die Schnittmenge von New Work und Employer Branding aufgezeigt.
1. Was ist New Work?
New Work ist Arbeit die „wir wirklich, wirklich wollen'.
Der Begriff New Work geht zurück auf den Philosophen Frithjof Bergmann, der viele Jahre an der University of Michigan als Professor für Philosophie lehrte. Seine Idealvorstellung von Arbeit beinhaltet ein Höchstmaß an individueller Freiheit und sinnstiftendem Tun und bietet damit Raum für Selbstverwirklichung und Kreativität. Kurz, eine Arbeit, in der wir unser Potenzial entfalten können und, um Frithjof Bergmann zu zitieren, eine Arbeit, die „wir wirklich, wirklich wollen“.
Die allgemeine Relevanz von New Work
Die Idee ist nicht neu und die ersten New Work-Zentren wurden bereits in den 1980er Jahren gegründet. In Zeiten der Digitalisierung und des Fachkräftemangels gewinnt dieser Ansatz an Bedeutung. Er setzt Arbeit, Sinnhaftigkeit und Leben in neue Relationen zueinander und schafft einen neuen Zusammenhang.
Neue Arbeitsmodelle entscheiden über die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen
Wer bezüglich der künftigen Gestaltung der Arbeitswelt nach Standardlösungen fragt, wird wahrscheinlich nicht die gesuchte Lösung als Antwort erhalten. New Work bietet keine Patentrezepte, vielmehr sind schon bei der Umsetzung Kreativität und Mut gefragt.
Wie in zahlreichen anderen Modellen des HR-Management geht es auch hier um die Frage der Reife des Unternehmens, sich einem Kulturwandel stellen zu können – und zu wollen:
- In traditionell geführten Unternehmen kann es bereits ein großer Schritt sein, Home Office-Konzepte anzubieten.
- In anderen Unternehmen wird dies möglicherweise bereits seit langer Zeit von zahlreichen Mitarbeitern in der Praxis umgesetzt.
Eines ist sicher: Unternehmen, die sich nicht mit dem Thema New Work befassen und damit schlicht die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ignorieren, setzen ihre Zukunftsfähigkeit aufs Spiel. Wie ein Unternehmen sich den Forderungen nach mehr Sinnhaftigkeit, Freiheit und Übergabe von Verantwortung stellt, hängt von vielfältigen Faktoren ab. Wie New Work im Gesundheitssektor erfolgreich umgesetzt werden kann, lesen Sie im folgenden Abschnitt.
2. New Work im Gesundheitssektor
Auf den ersten Blick scheinen zahlreiche Aspekte von New Work in einem Widerspruch zu den Arbeitsstrukturen im Krankenhaus zu stehen: Hier das agile, sich immer wieder selbst strukturierende Arbeiten, dort ein von Dokumentationspflichten, Hierarchien und klaren Zeitvorgaben geprägter Arbeitsalltag. Wie soll das zusammengehen?
Arbeitgeber, die sich seit Jahren darum bemühen, die Arbeit speziell für Pflegekräfte attraktiver zu gestalten, sind in einem Dilemma: Sie möchten alles nutzen, was zur Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung dient. Dabei stoßen sie aber an Grenzen, die durch den Ökonomisierungsdruck in der Medizin immer enger werden.
Derzeitige Lösungsansätze sind hauptsächlich in folgenden Bereichen zu erkennen:
- Betriebliches Gesundheitsmanagement,
- innovative, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle und
- Personaluntergrenzen, die den Arbeitsdruck verringern sollen.
Diese reichen allerdings bei weitem nicht aus, um dem dramatischen Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen.
2.1 New Work in der Pflege: Buurtzorg - ein Modell für die ambulante Versorgung?
Auf der Suche nach schlüssigen Konzepten, die in idealer Weise New Work und Pflegearbeit miteinander verbinden, wird in der Literatur häufig auf das niederländische Unternehmen Buurtzorg verwiesen. Buurtzorg („Nachbarschaftshilfe') wurde 2007 von Jos de Blok, einem Krankenpfleger aus Enschede, als Sozialunternehmen gegründet.
Das Problem in der Pflege
Auch hier gab es das grundsätzliche Problem der ambulanten Pflege, dass die einzelnen Leistungen für Patienten von unterschiedlichen Personen erbracht wurden und dass es einen immens hohen Abstimmungsbedarf gab. Hohe Reibungsverluste sind die Folge, die sowohl beim Pflegepersonal als auch bei Patienten zu Frustrationen führen.
Die Lösung
Das Unternehmen Buurtzorg nahm daher den klassischen Ansatz der Gemeindeschwester wieder auf. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht, dass idealerweise eine Pflegeperson als Bezugsperson möglichst viele Leistungen erbringt und damit auch eine starke persönliche Bindung zu der zu pflegenden Person aufbaut. Es handelt sich also um ein Pflegemodell, bei dem der Bezug zum Patienten und zu seinem sozialen Umfeld wieder einen hohen Stellenwert einnimmt.
Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist hier deutlich größer als bei anderen Pflegeunternehmen. Zudem zeigt sich der Erfolg darin, dass Buurtzorg heute einer der größten Pflegedienste in den Niederlanden ist. Die Teams, die aus kleinen Einheiten von etwa zwölf Pflegekräften bestehen, haben viel Raum für die autonome Organisation ihrer Einsätze. Auf Patientenseite sorgen sie für große Zufriedenheit durch die Einbindung des sozialen Umfelds.
Am Erfolg von Buurtzorg änderte sich auch nichts, als Jos de Blok wegen angeblich intransparenter Geschäfte ins Visier von Aufsichtsbehörden geriet. Buurtzorg ist ein vielversprechender Ansatz im ambulanten Bereich.
2.2 New Work im Krankenhaus
Doch wie sehen die Möglichkeiten in einem Krankenhaus aus? Immerhin arbeiteten nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft im Jahr 2017 etwa 328.000 Vollzeitbeschäftigte in der Pflege.
Auf der Suche nach Fallbeispielen stößt man zwar auf erfolgreiche Digitalisierungsprojekte, wie z.B. im Städtischen Klinikum Karlsruhe, das einen digitalen Aufnahme Manager etabliert hat. Die Patienten können alle Daten zu Hause erfassen und die erforderlichen Dokumente in Ruhe durchlesen und dann vor Ort im Klinikum an einer Fast Lane mobil einchecken. So wird wertvolle Zeit bei der Aufnahme gespart, Wartezeiten werden verringert.
Dies ist ein typisches Beispiel, an dem sich zeigt, dass es meist darum geht, analoge Arbeitsschritte in digitale umzuwandeln. Vielfach führt dies wie hier zu effizienteren Prozessen. Es bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Arbeit in der Pflege Merkmale von New Work wie oben beschrieben aufweist.
Derzeit gibt es zu New Work im Krankenhaus tatsächlich kaum konkrete Fallbeispiele. Dies liegt zum einen daran, dass das Thema womöglich noch nicht in seiner gesamten Relevanz bis in die Verwaltungsebenen der Krankenhäuser vorgedrungen ist. Zum anderen ist sicherlich anzuerkennen, dass es gerade im Setting eines Krankenhausbetriebs, in dem Menschen unmittelbar im Mittelpunkt stehen, schwieriger umzusetzen ist, als in einem industriellen Umfeld.
Radin et al. (2019) haben eine Studie zu der Zukunft der Arbeit im Gesundheitssektor verfasst: The future of work – how can health systems and health plans prepare and transform their workforce?
In dieser werden die folgenden vier Treiber für die zukünftige Arbeit genannt:
- Generationswechsel – eine veränderte Anforderung an sinnvolles Arbeiten durch neue Mitarbeitergenerationen.
- Open Talent Models – womit autonome, sich selbst organisierende, interdisziplinäre Teams oder auch flache Hierarchien gemeint sind.
- Neue Technologien – die als Digitalisierung in der Medizin inzwischen Gegenstand zahlreicher Studien sind und
- Consumerism – eine veränderte Anspruchshaltung der Patienten, die über ihren Zugang zu medizinischem Wissen aufgeklärt sind und auch eine andere Vorstellung von Convenience, dem bequemen, zeitnahen Zugang zu Informationen, haben als noch eine Generation zuvor.
3. New Work und Employer Branding
Die Unternehmenskultur, auf deren Basis sich eine Arbeitgebermarke entwickeln lässt, ist in den letzten Jahren immer wichtiger für die Mitarbeitergewinnung und -bindung geworden.
Während sich Unternehmen in den 1990er Jahren noch aufgrund ihrer Marktmacht sicher sein konnten, zahlreiche Bewerbungen geeigneter Kandidaten zu erhalten, ist es heute nicht mehr selbstverständlich, dass die Millenials, die um die Jahrtausendwende geborenen Nachwuchskräfte, angebotene Jobs auch attraktiv finden: Größe allein zieht nicht mehr.
Jedes Unternehmen muss sich heute die Fragen stellen: Wer sind wir? Was ist unser Selbstverständnis? Was ist unser gesellschaftlicher Auftrag und wo liegt unsere soziale Verantwortung? Wie machen wir unsere Werte in der Arbeitskultur sichtbar und für die Menschen erfahrbar? Wie kann sich das Unternehmen als attraktiver Arbeitgeber positionieren? Wie schaffen wir es, zum Employer of Choice zu werden, also zu einem Arbeitgeber, für den man sich entscheidet, auch wenn es genügend andere konkret angebotene attraktive Jobs gibt?Auf diese Fragen, die ausdrücken, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, gibt das neue „New Work“- Konzept die passenden Antworten.
Schaffen eines neuen Verständnisses von Arbeit
- Eine Unternehmensstruktur und ein Arbeitsumfeld, die sich an den Menschen und ihren Bedürfnissen bezüglich einer sinnstiftenden Arbeit orientieren,
- Freiheiten und Flexibilität, die uns das digitale Arbeiten heute ermöglicht,
- Vertrauen statt Kontrolle,
- Teamarbeit anstelle von starren Hierarchien,
- Konsens anstatt nicht ausgesprochenen Dissenses,
- Agilität anstelle fester Vorgaben und
- Ergebnisse anstatt reiner Anwesenheit.
Die weitere Arbeit zu New Work nehmen wir gerne gemeinsam mit Ihnen auf:
In unserem Workshop am Freitag, dem 11.10.2019 beleuchten wir interessante Aspekte von New Work. Im Anschluss an unsere Vorträge freuen wir uns auf einen Austausch von Erfahrungen, Ideen und Anregungen mit Ihnen. Melden Sie sich gerne jetzt an, denn wir haben nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen.
Informationen zu Ihrer Anmeldung finden Sie direkt im Anmeldeflyer.
Literatur
Radin et al. (2019): The future of work – how can health systems and health plans prepare and transform their workforce. Hg. v. Deloitte Development LLC. Online verfügbar unter https://www2.deloitte.com/content/dam/insights/us/articles/4816_fow_health-systems/DI_FoW_health-systems.pdf, zuletzt geprüft am 26.09.2019.
Leseempfehlung
Hackl et al. (2017): New Work: Auf dem Weg zur neuen Arbeitswelt. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.