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Pflege: droht eine Ausbeutung der Ukraine-Flüchtlinge ?

06.03.2022

Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege befüchtet Dumpinglöhne

Einem Bericht von Report Mainz zufolge wird der Krieg in der Ukraine neben den katastrophalen Auswirkungen für die Menschen vor Ort und Einschränkungen in vielen europäischen Ländern auch Auswirkungen auf den Pflegesektor haben. Nach dem russischen Angriff sind tausende Menschen aus der Ukraine auf der Flucht – auch nach Deutschland. Der Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege befürchtet, dass die Not der Flüchtlinge nun ausgenutzt werden könnte.

Die Menschen stehen unter Druck. Sie brauchen dringend Arbeit.

Die Menschen, die Hilfe in Deutschland suchen, haben fast alles in ihrer Heimat verloren. Sie erhalten als Flüchtlinge einen einjährigen Schutzstatus, der auf drei Jahre verlängert werden kann. Dieser Aufenthaltstatus ermöglicht es ihnen, auch ohne aufwändiges Asylverfahren arbeiten zu dürfen. Viele wollen, mehr noch: sie sind gezwungen, schnell wieder ihren Lebensunterhalt zu verdienen, um sich und evtl. zurückgelassenen Familienmitgliedern helfen zu können.


Der Verband befürchtet nun, dass die Notlage der Menschen ausgenutzt wird, so wie es bisher bei Pflegekräften, ErntehelferInnen und Menschen in der Fleischindustrie aus osteuropäischen EU-Ländern der Fall war. Pflegekräfte in der häuslichen Pflege sind davon besonders betroffen. Sie werden nicht nur schlecht, sondern häufig auch schwarz bezahlt. Dies macht sie für Arbeitgeber, die sich daran bereichern wollen, zu einer lukrativen Zielgruppe.

Die Wahrheit über die scheinbar hohen Löhne in Deutschland

Die Löhne in Deutschland erscheinen Menschen aus Niedriglohnländern, die bereits vor der Eskalation eine Chance bei uns gesucht haben, erst einmal hoch. Dass die Lebenshaltungskosten und Lohnabgaben auch um ein Vielfaches höher sind als im Herkunftsland, wird ihnen oft verschwiegen. Trotzdem riskieren nur wenige, einen Job aufzugeben, sei er noch so schlecht bezahlt. Viele sind auf das Geld angewiesen, kennen die Gesetze nicht oder wissen gar nicht, an wen sie sich wenden können. Für sie git es einen Mindestlohn nur auf dem Papier. Dass Betreuungskräfte vor Gericht gehen, um zu ihrem Recht zu kommen, ist eher die Ausnahme. 

Die Auswirkungen auf den gesamten Sozialbereich liegen auf der Hand: erwartbar ist ein Preis- und Leistungsdruck und fallende Löhne dort, wo das möglich ist. Seit einigen Jahren steigen zudem auch in Deutschland private Investoren massiv in die Pflege ein – siehe Orpea Skandal - denen es laut mehrerer Pressemittteilungen weniger um die pflegebedürftigen Menschen geht, sondern um die Gewinnoptimierung. Report Mainz kritisiert, dass sich mit dem Lohndumping die Erträge der Unternehmen erhöhen, und dass im Fall von – unvermeidbaren - Lohnanpassungen nicht etwa die Gewinnmargen gesenkt, sondern die Preise für die Leistungen angepasst würden. In der Pflege geht dies unweigerlich zu Lasten der Allgemeinheit: Ein Platz in einer Pflegeeinrichtung ist heute schon für viele Familien nicht finanzierbar, so dass auf die häusliche bzw. ambulante Pflege zurückgegriffen wird. Hier häufen sich die Berichte in der Presse, dass das Personal häufig unterhalb des Mindestlohns arbeitet und die Pflegekräfte – meist sind es Frauen - bei gleichem Lohn z.B. viel länger arbeiten, als es vertraglich vereinbart wurde.

Es wäre fatal, wenn die Notlage der Flüchtlinge aus der Ukraine nun in diesem Bereich ausgenutzt würde. Sie verdienen eine faire Chance, in Deutschland zu würdigen Bedingungen zu arbeiten und benötigen die Unterstützung von uns allen. Das liegt auch im Interesse der Pflegekräfte, die bisher dafür sorgen, dass der Pflegebereich nicht zusammenbricht. Vielleicht kann unsere Gesellschaft, die jetzt eine beispiellose Solidarität mit der Ukraine zeigt, auch hier zusammenhalten und etwas bewegen? 

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geschrieben von Ulrike Röse-Maier