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Multiresistente Keime

09.08.2021

Stressfaktor für Beschäftigte - Gefahr für Patienten

Laut einer Arbeitszeitbefragung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind Beschäftigte im Pflegebereich nicht erst seit der Corona-Pandemie besonders hohen Anforderungen im Arbeitsalltag ausgesetzt. Dazu tragen nicht nur atypische Arbeitszeitmodelle und Schichtdienste bei, sondern auch berufsspezifische Anforderungen, wie die häufige Desinfektion der Hände. Durch die Pandemie ist das Problem multiresistenter Keime zwar etwas in den Hintergrund getreten, aber es wird auch nach Bewältigung der Pandemie ein Thema bleiben. Jetzt, da alle Menschen lernen mussten, sich täglich mit verschärften Hygienemaßnahmen auseinander zu setzen, können sie besser nachempfinden, was es bedeutet, sich X-mal pro Schicht die Hände desinfizieren zu müssen. 


Das Problem der multiresistenten Keime (mrK)

Die Zahl der Menschen, die an multiresistenten Keimen sterben, ist sehr hoch. Die Gefahr steigt, wenn das Abwehrsystem geschwächt ist, was im Krankenhaus bei den meisten Menschen der Fall ist, und Übertragungen zusätzlich durch räumliche Nähe gefördert werden.


Wie entstehen Antibiotikaresistenzen?

Um zu überleben, mutieren Keime. Werden sie nicht abgetötet, zum Beispiel wenn ein Antibiotikum zu früh abgesetzt wird, dann haben sie die Chance, sich anzupassen. Mit der Zeit steigt ihre Resistenz, bis irgendwann Antibiotika nicht mehr gegen sie wirken. Die Entwicklung von Resistenzen wird auch indirekt durch die Landwirtschaft gefördert, denn hier werden nicht selten so genannte Reserve-Antibiotika eingesetzt. Diese sind gegen Bakterien wirksam, die gegen herkömmliche Antibiotika resistent sind und sollen eigentlich, um weitere Resistenzbildung zu verhindern, nur im Ausnahmefall verabreicht werden. [1]

Jährlich infizieren sich bis zu 600.000 Menschen in deutschen Krankenhäusern mit Krankenhauskeimen. Zwischen 10.000 und 20.000 sterben laut Schätzung daran, deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Ein Grund für die nosokomialen Infektionen, also Infektionen, die unmittelbar auf den Aufenthalt oder die Behandlung in einem Krankenhaus zurückzuführen sind, dürfte laut Forschern die immer größere Zahl an stationär behandelten Patienten und die damit verbundene Gefahr der Übertragung sein. [2]

Aktuelle Zahlen gibt es nicht, aber es ist zu befürchten, dass die Zahl mit der Corona-Pandemie gestiegen ist, da an Covid-19-Erkrankte oft auch mit Antibiotika behandelt werden. [3]


Tod durch Keime in Kliniken und Heimen

150-mal müsste sich eine Pflegekraft während einer Schicht die Hände desinfizieren – weil sie zu viele Patienten betreut. Zeit für die Desinfektion bleibt einfach nicht. Aber auch gefährden sich die Menschen selbst. Jeder Mensch „schleppt“ seine eigenen Mikroorganismen mit sich, wie auf der Haut oder den Schleimhäuten. Sind im Krankenhaus inva­sive Behandlungen nötig, so können diese für den Menschen bisher harmlosen Keime in den Körper eindringen und zur Gefahr werden. Solche endogenen Infektionen sind hygienisch schwer beherrschbar. [4]


Strategien der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat bereits im Jahr 2015 Strategien entwickelt und publiziert: 

1. Ausbreitung multiresistenter Erreger verhindern
2. Hygienestandards in allen Einrichtungen weiter ausbauen
3. Bessere Informationen zur Hygienequalität in Krankenhäusern
4. Meldepflichten zur Früherkennung resistenter Erreger verschärfen
5. Verpflichtende Fortbildung des medizinischen Personals
6. Versorgungsforschung zur Vermeidung nosokomialer Infektionen verbessern
7. 'One-Health'-Gedanken stärken: Aktualisierung der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie
8. Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika ermöglichen (Pharmadialog)
9. Deutsche globale Gesundheitspolitik zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen nutzen
10. Antibiotika-Resistenzen durch Kooperation der G7 bekämpfen

 

Zumindest bei einem Teil dieser Vorgaben mangelt es offensichtlich an der Umsetzung oder gar an der Kontrolle. [5] [6] Um Maßnahmen gegen eine Ausbreitung in Gang zu setzen, müssen Keime so früh wie möglich erkannt werden. Wenn - wie es im Juli 2021 durch die Medien ging - eine Studie von einem Fund multiresistenter Keime in tiefgefrorenem Hundefutter sprach, dann sollte dies als Alarmzeichen verstanden werden. Die Gefahr der Übertragung vom Haustier auf den Menschen ist enorm und dann geht es schnell zwischen Menschen weiter. [7]

Das Thema multiresistente Keime darf daher nicht wegen anderer großer Ereignisse auf die Warteliste geschoben werden, denn irgendwann könnte es zu spät sein. [8]




geschrieben von Ulrike Röse-Maier